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Navratri-Die neun heiligen Nächte der Mutter (Teil 8)

Traditionen und Bräuche
Von den vielen Traditionen und Bräuchen, die es je nach Bundesland, Bevölkerungsgruppe (und -schicht) aber auch hinduistischer Strömung gibt, möchte ich nur auf ein paar ausgewählte eingehen.

Ältestes erhaltenes Manuskript des Devi Mahatmyams auf Palmenblättern, Bihar oder Nepal, 11. Jahrhundert; Quelle: Wikipedia.de

Rezitation des Devi-Mahatmyams
Eine der wohl essenziellsten Praktikenn Navratris ist die Rezitation des kompletten Devi-Mahatmyams.
Das Devi-Mahatmyam ist eigentlich Teil der Makandeya-Purana und besteht aus dreizehn Kapiteln. Es beschreibt einerseits das Wirken der Göttin Adi-Parashaktis in unterschiedlichen Formen, aber auch, in seiner tieferen Bedeutung, die Wanderung der menschlichen Seele.
Die dreizehn Kapitel sind in drei Abschnitte unterteilt und entsprechend ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Seele und der Veränderungen auf der spirituellen Reise Maha-Kali, Maha-Lakshmi und Maha-Sarasvati zugeordnet sind. Sie stellen die Kräfte dar, die im menschlichen Geist während seiner spirituellen Reise wirken und sich in ihm manifestieren.

Die Rezitation des Devi-Mahatmyams wird meist unter Einhaltung bestimmter Regeln und Methoden begangen, die sich jedoch von Tradition zu Tradition unterscheiden.
Zu den unterschiedlichen Methoden gehören z.B.
1. die Rezitation des kompletten Textes an einem Tag (kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen)

2. die Aufteilung der Kapitel an verschiedenen Tagen:

Tag 1 Kapitel 1
Tag 2 Kapitel 2-3
Tag 3 Kapitel 4
Tag 4 Kapitel 5-8
Tag 5 Kapitel 9-10
Tag 6 Kapitel 11
Tag 7 Kapitel 12-13

3. die tägliche Rezitation nur des 2.-4. Kapitels

4. die tägliche Rezitation der Devi-Mahatmya Stothra Ashtakam, d.h. eine Zusammenfassung des Devi-Mahatmyams in acht Strophen.

Der Rezitation des Devi-Mahatmyams werden entsprechend der Wiederholungszahl unterschiedliche „Früchte“ oder Ergebnisse zugesprochen.
So soll z.B. das 3-fache wiederholen dabei helfen, sich von schwarzmagischen Einflüssen zu befreien. Fünfzehn Wiederholungen sollen zu einem angenehmen Leben und Reichtümern verhelfen und bei der Vollendung von 1000 Wiederholungen soll die Göttin Lakshmi erscheinen und allen Reichtum und Wohlstand den man sich wünschen kann, schenken.

Doch es sind dazu noch weitere Regeln zu beachten.
So z.B. dass bestimmte Manten vor und nach jedem Vers gesprochen werden sollen, oder dass vor und nach dem Lesen des Devi Mahatmyams 100 Mal das sog. Tryambaka-Mantra (1)  rezitiert werden soll.
Die Möglickeiten sind da sehr sehr vielfältig.
Auch die Kombination mit einem sog. Vrata kommt vor, besonders dann, wenn man sich die Erfüllung eines bestimmten Wunsches erhofft.

 

Tanz
Vor allem in Gujarat und Mumbai sind Tänze Teil der Feierlichkeiten.
Der sog. Garba ist ein ritueller Tanz, der während des Pujas (dem Ritual) vor der Darbringung der heiligen Flamme zu Ehren der Göttin vorgeführt wird, und ein Kreistanz (traditionell von Frauen) um eine in einem tönerden Gefäß brennende (Öl)Lampe/Kerze oder einer Statue der Göttin ist.

Garba; Quelle: Kathiyavad
Dandiya; Quelle: QuoteKo.com

Das Licht der Lampe stellt das Leben dar und den Fötus im Leib der Mutter. Der Tanz ist damit auch ein Teil der Verehrung des Lebens, der Schöpfung und der Zyklen des Seins.

Ein anderer, nach dem Puja als Teil der anschließenden Feierlichkeiten vorgeführter Tanz ist der Dandiya.
Der Dandiya war ursprünglich den Männern vorbehalten und diente dem Training von Kampftechniken z.B. mit dem Schwert.
Die heute benutzen farbenprächtigen Stäbe sind die Überbleibsel des Schwertes. Erst später kam Musik hinzu und er öffnete sich auch für Frauen.

 

Kalash Sthapana
Am ersten Tav von Navratri wird ein tönerdes oder metallenes Gefäß (Kalash) für den Hausschrein oder einen eigens dafür hergerichteten Altar(raum) vorbereitet, in den die Göttin invoziert wird.

Kalasha und Gersten-Schößlinge; Quelle: ekunji.com

In manchen Regionen ist es auch Brauch, auf dem Altar bzw. im Schrein etwas feuchte Erde auszubreiten  und dort Getreide (meist Gerste) auszusäen, die in den neun Tagen gehegt werden, bis sie sprießen. Die Sprößlinge werden am letzten Tag sog. Prasada (2) an Familienmitglieder und/oder Teilnehmer der Heim-Puja verteilt.

In anderen Regionen werden die Sprößlinge auch in tönernden Gefäßen, in die feuchte Erde getan wurde,  gezogen.

 

Die Verbrennung Ravanas
Einer der Bräuche am letzten Tag von Navratri ist die Verbrennung des Dämonens Ravana.
Sie symbolisiert den Sieg Ramas über den Dämonen und damit den Sieg über das Böse in der Welt.
Dazu werden z.T. riesige hölzerne Nachbildungen des Dämonenkönigs gebaut, die dann entzündet werden, doch auch im Kleinen zu Hause werden, Feuer entzündet und Nachbildungen des Dämons verbrannt.
Ein wenig erinnert diese Tradition an die Sonnenwendfeuer in unseren Breiten 😉 .

 

Sarasvati-Puja; Quelle: Paradise found

Sarasvati-Puja
Die letzten drei Tage von Navratri sind Saraswati geweiht.
An diesen Tagen finden unterschiedliche Rituale statt, um den Segen der Göttin der Weisheit, der Erkenntnis, des Lernens und der Künste zu erbitten.
Doch nicht nur Schüler, Studenten, Künstler o.a. widmen sich an diesem Tag besonders Ihrer Verehrung, sondern die Angehörigenaller Berufsgruppen.
Es ist auch die Zeit, in der Kinder zwischen 4 und 5 Jahren in einem rituellen Rahmen ihre erste Einweihung ins Schreiben und damit in den Beginn des Lernens erhalten.

 

Doch wie zu Beginn gesagt, dies sind nur Beispiele für die Traditionen und Bräuche, die mit Navrati in Verbindung stehen.
Auch wenn es viele Überschneidungen in den unterschiedlichen Bundesländern Indiens gibt, gibt es doch auch genauso viele Unterschiede.
Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe innerhalb des Hinduismus spielt darüber hinaus natürlich ebenso noch eine Rolle wie der gesellschaftliche Status.
Aber ich hoffe, es mir gelungen, einen kleinen Einblick in dieses wundervolle Fest zu Ehren der Großen Göttin Indiens zueröffnen.

Siat


1 – Ein Mantra Shivas
2 – geheiligte Speise

Navratri-Die neun heiligen Nächte der Mutter (Teil 2)

Die Formen der Göttlichen
Die Verehrung der Großen Mutter, Adi-Parashakti, findet in unterschiedlicher Weise statt.
Mit Adi-Parashakti, die uranfängliche (Schöpfungs)Macht werden, je nach Tradition, unterschiedliche Manifestationsformen der Göttin bezeichnet. Vor allem:

  • Durga
  • (Bhadra)Kali
  • (Jagad)Amba
  • Bhavani
  • Chandi(ka)
  • Lalita
  • Bhairavi
  • Annapoorna

Allen gemeinsam ist, dass sie als „Inkarnationen“ oder Manifestationen der schöpferischen göttlich-weiblichen (aktive) Macht der Schöpfung und somit als „Partnerin“ oder „Gattin“ Shivas, dem formlosen „Bewusstsein“ und eher „passiven“, ruhenden Teil der Schöpfung betrachtet wird.
Sie sind Ausdruck und/oder Teil von Sati-Parvati, der geliebten Gefährtin Shivas.

Drei mal drei Nächte Maha-Shaktis
Die neun Nächte werden darüber hinaus in 3×3 Nächte unterteilt, die jeweils (je nach Tradition) einer der Manifestationen Maha-Shaktis geweiht sind:
Die ersten drei Nächte: Durga/Maha-Kali
Die nächsten drei: Maha-Lakshmi
Die letzten drei: Maha-Saraswati.

Diese Aufteilung der Nächte basiert auf der Devi-Gita bzw. dem Devi-Mahatmyam. In ihr wird beschrieben, wie Adi-Shakti in drei unterschiedlichen Gestalten den Göttern zur Hilfe kommt, um Ihnen im Kampf gegen Dämonen beizustehen.
Gleichzeitig haben Sie jedoch noch eine deutlich tiefere Bedeutung und beschreiben die Transformation, die der Mensch im Laufe seiner spirituellen Reise durchläuft.
Diese Stufen werden in drei Kapiteln der Devi-Gita beschrieben.
Die erste beschreibt wie Adi-Shakti Maha-Vishnu erweckt, der so tief schlief, das niemand Ihn erwecken konnte.
Die nächste beschreibt, wie dieselbe Adi-Shakti sich als Maha-Lakshmi manifestiert, um gegen die Dämonen Mahishasura und Raktabija zu kämpfen. Und die nächste, wie die Dämonen Shumbha und Nishumbha von Maha-Sarasvati zerstört werden.
Die neun Nächte und Tage reflektieren diese drei Stadien und haben ihren Höhepunkt dann im 10. Tag, der Vijaya-Dashami genannt wird, der Tag des Sieges, an dem das Licht der Erkenntnis über die Dunkelheit der Unwissenheit siegt, in der wir die Dinge hinter uns lassen, die uns sei langem beschränken.
Wir können weiter gehen, sie hinter uns lassen, uns (und sie) transformieren.

Die Reise von Kali, der Dunklen Mutter hin zur leuchtenden Sarasvati führt uns darüber hinaus durch (unsere eigene) Dunkelheit hin zum Licht, und lässt uns auch unseren eigenen spirituellen Pfad  vom „dunklen“ Anfang unserer Reise hin in das Licht der Erkenntnis finden.

Maha-Kali, Maha-Lakshmi und Maha-Sarasvati
Maha-Kali, Maha-Lakshmi und Maha-Sarasvati

 

Die Dash-Mahavidyas und die heiligen zehn Tage
Weitere Göttinnen, die mit Navratri verbunden sind, sind die Dash-Mahavidyas. Sie sind eine Gruppe von zehn (=dash(a)) (tantrischen) Göttinnen der Weisheit und Einweihung.-Um es sehr grob zu umreißen.
Auch Sie sind Manifestationsformen von Shakti, und werden somit (je nach Tradition und Überlieferung) auch als Gestalten von Parvati, Durga und/oder Kali angesehen und verehrt.
Doch genaueres zu Ihnen wird an anderer Stelle folgen :).

Durga und die Dash-Mahavidyas
Ma Kali/Durga und die Dash-Mahavidyas, Künstler/Artist: unbekannt/unknown

 

Navdurga und die neun heiligen Nächte
Die einzelnen Tage dieses Festes sind den unterschiedlichen Aspekten der Göttin Durgas bzw. Parvatis geweiht.

  1. Tag: Shailaputri
  2. Tag: Brahmacharini
  3. Tag: Chandraghanta
  4. Tag: Kushmanda
  5. Tag: Skandamata
  6. Tag: Katyayani
  7. Tag: Kalaratri
  8. Tag: Mahagauri
  9. Tag: Siddhidatri

Einige Traditionen sehen in den neun Formen der Göttin soetwas wie die Lebensphasen von Maha-Devi Parvati, während wieder andere davon ausgehen, dass sich die drei Formen Adi-Shaktis, also Maha-Kali, Maha-Lakshmi und Maha-Sarasvati, wiederum in jeweils drei weiteren Formen manifestieren.
Und wieder andere nehmen beide dieser Ansichten an.

Der nächsten Teile dieser Reihe werden die neun Matas näher beleuchten.

Ende Teil 2
Siat