Agnosco wrote:
So ähnlich ist es auch bei den Griechen und Römern gewesen. Die Tempel waren nicht Gebetshäuser im Sinne von Synagogen, Kirchen oder Moscheen, sondern den Gottheiten als Heimstatt geweiht. Für sie und weniger für die Gläubigen wurden die Tempel errichtet.
Ja, das trifft den Kern der Sache sehr gut. Das ist eine sehr kurze und präzise Erklärung, warum ein Tempel nicht "das gleiche" ist wie eine Kirche.
Wäre es zu weit gegriffen, hier auch eine Unterscheidung im Anspruch der der Religion zu sehen?
Oder könnte man auch sagen:
Christentum und Islam haben beide den Anspruch, "alle Völker" von ihrer Religion zu überzeugen. Alle Menschen sollen dabei in ein persönliches Verhältnis zu ihrem Gott treten, sei es "Jesus als Erlöser annehmen" oder "sich den Geboten Allahs unterwerfen". Folgerichtig sind ihre Kultorte solche, in denen alle Menschen den Dienst verrichten sollen (allerdings gibt es auch hier einen Anspruch der kultischen Reinheit, siehe Waschung vor der Moschee, und manche Christen betupfen sich zumindest symbolisch mit Weihwasser)
Weder die Ägypter noch die Religio Romana hat einen ähnlichen Anspruch. Nicht jeder Mensch muss oder sollte überhaupt mit jeder Gottheit in ein persönliches Verhältnis treten: es genügt völlig, wenn Könige oder Priesterschaft es stellvertretend für ihr Volk tun.
Als "Privatmensch nähert man sich einer Gottheit anlassbezogen, und auch dann nutzt man oft die Vermittlerfunktion der Priesterschaft. (immerhin hat man es mit potentiell gefährlichen und rachsüchtigen Wesenheiten zu tun, das überlässt man vielleicht lieber den Expertinnen und Experten)
Und eine echte persönliche Frömmigkeit spielt sich an Hausaltären oder in der Natur ab, abseits des öffentlich finanzierten Kults. (gab es nicht im römischen und griechischen Kult auch dezentrale Opferstätten z.B. an Wegkreuzungen für Hekate?)
Interessant wird dann natürlich noch einmal der Vergleich mit Gallien und den Kelten insgesamt.
Können wir den römischen Autoren glauben, dass hier die Kultstätten in der Natur lagen? Immerhin fehlen doch große steinerne Tempelbauten, welche die Kelten technologisch selbstverständlich hätten realisieren können?
Gibt es desweiteren Hinweise darauf, ob der Zugang zu diesen Kultstätten ähnlich Tabu und beschränkt war wie der Zugang zu einem römischen oder ägyptischen Tempel? Ich kenne hier leider die Quellenlage nicht so gut...
Nick, kannst du das beantworten?