Guten Abend ihr Lieben,
Lillith hat in ihrem Vorstellungspost geschrieben: „Ich weiß, dass wir alle Eins sind“
Das hat mich zum Nachdenken gebracht, und ich bin neugierig inwieweit diese Vorstellungen hier im Forum verbreitet ist.
Ich habe einmal ein paar Ansätze in der Abstufung zusammengefasst – kennt ihr diese, oder würde ihr das anders definieren, und wo würdet
ihr euch dabei einordnen?
A - Alles ist Eins
B - Alles ist Teil des selben Ganzen
C - Alles kommt vom selben Ursprung und strebt dahin zurück
D - Alles kommt vom selben Ursprung und ist untereinander verbunden, die Welt aber ist vielfältig
Wer wissen will, wo ich diese Abstufungen her habe, kann gerne den ganzen langen Erklärtext unten lesen. Ihr könnt es aber auch lassen (ich habe
versucht, mich kurz zu fassen… und habe versagt
)
Liebe Grüße
Ma'en
A
Die extremste Vorstellung von „Alles ist Eins“ kenne ich vom griechischen Philosophen Parmenides.
Leider kennen wir seine Philosophie eines extremen Monismus nur aus zweiter Hand, der Originaltext ist verloren, aber ich würde es in meinen Worten so
zusammenfassen:
„Alles ist Eins. Jede räumliche, zeitliche oder materielle Trennung ist Illusion.
Denn es gibt nur das Sein an sich, und alles Sein ist Eins, und alles Nichtsein gibt es nicht“
B
Nicht ganz so extrem ist die Vorstellung, die ich als Pantheismus bezeichnen würde (auch wenn dieser Begriff durchaus umstritten ist).
Wiederum in meinen eigenen Worten:
„Das Göttliche ist in Allem, und Alles ist Teil des Göttlichen.
Die Welt ist wesensgleich mit dem göttlichen Prinzip, alles ist Teil der selben einen Ganzheit“
Man findet pantheistische Ideen historisch z.B. im Advaita-Vedanta des Shankara (um 800 n.u.Z.), das die individuellen Seele „Atman“ mit
der Weltseele und dem allgöttlichen Prinzip „Brahman“ gleichsetzt.
Leider kenne ich mich mit amerikanischen Religionen nicht gut aus, aber es gibt wohl ähnliche Ideen bei den Algonkin und im Wakan Tanka der
Sioux.
In Europa hat Giordiano Bruno mit der Idee einer allumfassenden Weltsubstanz den Pantheismus weiter entwickelt, was dann auch von Spinoza
und Leibniz in ähnlicher Weise aufgegriffen wurde.
Im europäischen philosophischen Pantheismus geht die Überlegung sogar hin zu einem Atheismus in dem Sinne: Wenn es gar keinen Unterschied
zwischen Geist und Materie gibt, weil eben alles eins ist, dann kann man die Idee eines transzendenten göttlichen Prinzips auch ganz
abschaffen. Dann ist das ganze Sein in, mit und aus seiner materiellen Substanz heraus erschaffen und miteinander verbunden.
C
“Der Ursprung alles Seins ist ein abstraktes, transzendentes All-Eines.
Es ist in sich unteilbar und vereint alles Potential des Schöpfung in sich”
So in etwa würde ich die Idee des To Hen aus der neuplatonischen Philosophie in meine Worte fassen, diese Lehre wurde von Plotinus und seinen
Schülern und Nachfolgern in der Spätantike entwickelt, wobei sie sich auf die noch älteren Lehren Platons berufen.
Das All-Eine ist hier das oberste Prinzip, aus ihm “entströmt” die Schöpfungskraft und wird in diversen Ebenen nach unten weitergereicht, wo sie sich teilt, ausdifferenziert, und schließlich in der untersten Weltebene der Materie ankommt.
Jede individuelle Seele behält aber eine Verbindung zu jenem All-Einen und strebt dorthin zurück: Heraus aus der Materie, die von manchen als böse und unvollkommen definiert wird, zurück nach oben zum ungeteilten, immateriellen, höheren Prinzip.
Ich finde, dass die Buddhistischen und Jainistischen Lehren hier eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen, wenn man die Erleuchtung des Einzelnen und seine Befreiung aus dem materiellen Kreislauf der Reinkarnation betrachtet.
Und ähnliche Begriffe eines all-einen, obersten Schöpfungsprinzips findet man auch im hinduistischen Brahman oder im En Sof der Kabbala.
Im Unterschied zum Pantheismus haben wir es aber mit eher Dualistischen Systemen zu tun. Das göttliche Prinzip ist nicht mehr wesensgleich mit der ganzen Welt, sondern es gibt hier einen dualistischen Gegensatz zwischen der Geistigen Welt “da oben” und der materiellen Welt “da unten”.
Wir sind nach diesen Lehren nicht direkt “alle Eins”, wie Lillith es ausdrückte, aber wir kommen aus dem selben Einen und wollen/sollen dorthin zurück kehren.
Die platonische Philosophie hat historisch meiner Meinung nach einen bedeutenden Einfluss auf die Kabbalah und die mystischen Strömungen
in Christentum und Islam gehabt, genau wie auf Hermetik und Alchemie, bis hin zu Rosenkreuzern, Freimaurern und moderner Esoterik
D
“Am Anfang was alles eine Einheit – ohne Form, ohne Struktur, ohne Grenzen.
Bei der Schöpfung der Welt entstand aus diesem Ur-Einen allmählich die Vielheit und eine Welt voller Verschiedenheit.
Da alles aus dem selben Kern geschaffen ist, ist es untereinander verbunden. Alles, im Großen wie im Kleinen, wird von der selben Kraft belebt und vom selben Gesetz geordnet.
Geist und Materie sind keine getrennten Sphären und kein Gegensatz, sondern alles ist ineinander verwoben: Geist und Materie, Gottheit und Natur, Diesseits und Jenseits, Wille und Werk.”
Diehier beschriebene Vorstellung passt auf meine eigene kemetische Religion, aber ich glaube, dass einige andere Kulturen sehr ähnliche Schöpfungsmythen und Vorstellungen haben.
Ich weiß nicht, ob man diesen Ansatz überhaupt noch unter die Überschrift “wir alle sind Eins” setzen kann… denn obwohl es einen gemeinsamen
Ursprung gibt, ist diese Welt eine Welt der Vielheit. Nimmt man diese Vielheit wieder weg und kehrt zum Ursprung zurück, so ist das im
kemetischen Weltbild nicht “Aufstieg” oder “Erlösung” sondern schlicht das Ende der Welt.
Deutet man “Eins sein” jedoch im Sinne von “wir sind alle gleichwertig” oder “wir sind alle verbunden”, dann trifft es wiederum zu.
In den eher animistisch orientierten Religionen wie der meinen, die von einer göttlich beseelten Natur ausgehen, erstreckt sich die Vorstellung der
Gleichwertigkeit und Verbundenheit nicht nur auf die Menschen untereinander, sondern auch auf Tiere, Pflanzen, Orte und
Naturphänomene: Nicht nur der Mensch ist ein Abbild Gottes, wie bei den Abrahamiten, sondern alles in der Welt ist potentiell Ausdruck eines göttlichen
Prinzips - Gottheiten und Geister sind in der Welt anwesend.
Lillith hat in ihrem Vorstellungspost geschrieben: „Ich weiß, dass wir alle Eins sind“
Das hat mich zum Nachdenken gebracht, und ich bin neugierig inwieweit diese Vorstellungen hier im Forum verbreitet ist.
Ich habe einmal ein paar Ansätze in der Abstufung zusammengefasst – kennt ihr diese, oder würde ihr das anders definieren, und wo würdet
ihr euch dabei einordnen?
A - Alles ist Eins
B - Alles ist Teil des selben Ganzen
C - Alles kommt vom selben Ursprung und strebt dahin zurück
D - Alles kommt vom selben Ursprung und ist untereinander verbunden, die Welt aber ist vielfältig
Wer wissen will, wo ich diese Abstufungen her habe, kann gerne den ganzen langen Erklärtext unten lesen. Ihr könnt es aber auch lassen (ich habe
versucht, mich kurz zu fassen… und habe versagt

Liebe Grüße
Ma'en
A
Die extremste Vorstellung von „Alles ist Eins“ kenne ich vom griechischen Philosophen Parmenides.
Leider kennen wir seine Philosophie eines extremen Monismus nur aus zweiter Hand, der Originaltext ist verloren, aber ich würde es in meinen Worten so
zusammenfassen:
„Alles ist Eins. Jede räumliche, zeitliche oder materielle Trennung ist Illusion.
Denn es gibt nur das Sein an sich, und alles Sein ist Eins, und alles Nichtsein gibt es nicht“
B
Nicht ganz so extrem ist die Vorstellung, die ich als Pantheismus bezeichnen würde (auch wenn dieser Begriff durchaus umstritten ist).
Wiederum in meinen eigenen Worten:
„Das Göttliche ist in Allem, und Alles ist Teil des Göttlichen.
Die Welt ist wesensgleich mit dem göttlichen Prinzip, alles ist Teil der selben einen Ganzheit“
Man findet pantheistische Ideen historisch z.B. im Advaita-Vedanta des Shankara (um 800 n.u.Z.), das die individuellen Seele „Atman“ mit
der Weltseele und dem allgöttlichen Prinzip „Brahman“ gleichsetzt.
Leider kenne ich mich mit amerikanischen Religionen nicht gut aus, aber es gibt wohl ähnliche Ideen bei den Algonkin und im Wakan Tanka der
Sioux.
In Europa hat Giordiano Bruno mit der Idee einer allumfassenden Weltsubstanz den Pantheismus weiter entwickelt, was dann auch von Spinoza
und Leibniz in ähnlicher Weise aufgegriffen wurde.
Im europäischen philosophischen Pantheismus geht die Überlegung sogar hin zu einem Atheismus in dem Sinne: Wenn es gar keinen Unterschied
zwischen Geist und Materie gibt, weil eben alles eins ist, dann kann man die Idee eines transzendenten göttlichen Prinzips auch ganz
abschaffen. Dann ist das ganze Sein in, mit und aus seiner materiellen Substanz heraus erschaffen und miteinander verbunden.
C
“Der Ursprung alles Seins ist ein abstraktes, transzendentes All-Eines.
Es ist in sich unteilbar und vereint alles Potential des Schöpfung in sich”
So in etwa würde ich die Idee des To Hen aus der neuplatonischen Philosophie in meine Worte fassen, diese Lehre wurde von Plotinus und seinen
Schülern und Nachfolgern in der Spätantike entwickelt, wobei sie sich auf die noch älteren Lehren Platons berufen.
Das All-Eine ist hier das oberste Prinzip, aus ihm “entströmt” die Schöpfungskraft und wird in diversen Ebenen nach unten weitergereicht, wo sie sich teilt, ausdifferenziert, und schließlich in der untersten Weltebene der Materie ankommt.
Jede individuelle Seele behält aber eine Verbindung zu jenem All-Einen und strebt dorthin zurück: Heraus aus der Materie, die von manchen als böse und unvollkommen definiert wird, zurück nach oben zum ungeteilten, immateriellen, höheren Prinzip.
Ich finde, dass die Buddhistischen und Jainistischen Lehren hier eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen, wenn man die Erleuchtung des Einzelnen und seine Befreiung aus dem materiellen Kreislauf der Reinkarnation betrachtet.
Und ähnliche Begriffe eines all-einen, obersten Schöpfungsprinzips findet man auch im hinduistischen Brahman oder im En Sof der Kabbala.
Im Unterschied zum Pantheismus haben wir es aber mit eher Dualistischen Systemen zu tun. Das göttliche Prinzip ist nicht mehr wesensgleich mit der ganzen Welt, sondern es gibt hier einen dualistischen Gegensatz zwischen der Geistigen Welt “da oben” und der materiellen Welt “da unten”.
Wir sind nach diesen Lehren nicht direkt “alle Eins”, wie Lillith es ausdrückte, aber wir kommen aus dem selben Einen und wollen/sollen dorthin zurück kehren.
Die platonische Philosophie hat historisch meiner Meinung nach einen bedeutenden Einfluss auf die Kabbalah und die mystischen Strömungen
in Christentum und Islam gehabt, genau wie auf Hermetik und Alchemie, bis hin zu Rosenkreuzern, Freimaurern und moderner Esoterik
D
“Am Anfang was alles eine Einheit – ohne Form, ohne Struktur, ohne Grenzen.
Bei der Schöpfung der Welt entstand aus diesem Ur-Einen allmählich die Vielheit und eine Welt voller Verschiedenheit.
Da alles aus dem selben Kern geschaffen ist, ist es untereinander verbunden. Alles, im Großen wie im Kleinen, wird von der selben Kraft belebt und vom selben Gesetz geordnet.
Geist und Materie sind keine getrennten Sphären und kein Gegensatz, sondern alles ist ineinander verwoben: Geist und Materie, Gottheit und Natur, Diesseits und Jenseits, Wille und Werk.”
Diehier beschriebene Vorstellung passt auf meine eigene kemetische Religion, aber ich glaube, dass einige andere Kulturen sehr ähnliche Schöpfungsmythen und Vorstellungen haben.
Ich weiß nicht, ob man diesen Ansatz überhaupt noch unter die Überschrift “wir alle sind Eins” setzen kann… denn obwohl es einen gemeinsamen
Ursprung gibt, ist diese Welt eine Welt der Vielheit. Nimmt man diese Vielheit wieder weg und kehrt zum Ursprung zurück, so ist das im
kemetischen Weltbild nicht “Aufstieg” oder “Erlösung” sondern schlicht das Ende der Welt.
Deutet man “Eins sein” jedoch im Sinne von “wir sind alle gleichwertig” oder “wir sind alle verbunden”, dann trifft es wiederum zu.
In den eher animistisch orientierten Religionen wie der meinen, die von einer göttlich beseelten Natur ausgehen, erstreckt sich die Vorstellung der
Gleichwertigkeit und Verbundenheit nicht nur auf die Menschen untereinander, sondern auch auf Tiere, Pflanzen, Orte und
Naturphänomene: Nicht nur der Mensch ist ein Abbild Gottes, wie bei den Abrahamiten, sondern alles in der Welt ist potentiell Ausdruck eines göttlichen
Prinzips - Gottheiten und Geister sind in der Welt anwesend.