Arbeitsleben beim Bau ägyptischer Königsgräber härter als angenommen

  • Wie die amerikanische Ägyptologin Anne Austin berichtet, gab es zwar offiziell eine medizinische Versorgung für die Arbeiter in Deir-el-Medina (oder "Set-Ma'at" wie es früher hieß), aber nicht jedem wurde diese zu Teil. Tatsächlich war das Arbeiterleben nahezu unmenschlich hart. Es gab zwar lt. schriftlicher Aufzeichnungen bezahlten Urlaub, aber Knochenfunde beweisen eindeutig, dass Arbeiter trotz schlechter gesundheitlicher Zustände weiter arbeiteten. Offensichtlich war der Druck, der auf den Arbeitern lastete entsprechend hoch, was man sich angesichts der Schwierigkeiten solche Bauwerke rechtzeitig fertigzustellen gut vorstellen kann.

    Die Arbeiter in Set-Maat waren recht gut gebildet, daher hinterließen sie auch viele schriftliche Aufzeichnungen, die über ihr Leben in der Arbeitersiedlung berichten, ihre menschlichen Überreste wurden jedoch bislang kaum untersucht. Die Knochen zeigen, dass die Verschleißerscheinungen der Arbeiter signifikant höher waren als die der arbeitenden Bevölkerung in anderen Gebieten Ägyptens. Wenigstens wurde für körperlich Behinderte gut gesorgt.

    Es gab zwei Arten von medizinischer Versorgung in Deir-el-Medina ein offiziell staatliches System und ein privates bestehend aus Familie und Freunden. Die Arbeiter mussten sich also selbst helfen, wenn sie vom Staat keine medizinische Versorgung erhielten, was häufig der Fall war. Die Familien standen sogar unter einem hohen gesellschaftlichen Druck die Arbeiter zu pflegen.

    So weichen historische Aufzeichnungen und gelebte Wirklichkeit doch manchmal von einander ab...

    Original Artikel:
    Ancient human remains at Deir el-Medina examined

  • Unmenschlich hart war das Arbeitsleben dort also. Aha.

    Also mal zu den Rahmenbedingungen. Wir schreiben in etwa das Jahr 1500 v. Chr. und im Arbeiterdorf Ta-set-maat leben auf einer Fläche von etwas über 6000 Quadratmetern 68 Bauarbeiter, Handwerker und Künstler mitsamt ihren Familien (am Ende des Neuen Reiches etwa 450 Jahre später lebten dort etwa 120 Arbeiter samt Familie) in steinernen Häusern (normalerweise waren Wohnhäuser in Ägypten aus Lehmziegeln), die im Auftrag der Könige mit dem Bau und der Ausschmückung der königlichen Grabstätten beauftragt sind.

    Das Dorf liegt etwa 4 Kilometer vom Nil entfernt in einem Wüstental auf dem Westufer, genau zwischen dem Tal der Könige und dem Tal der Königinnen mitten in der königlichen Nekropole. Die Häuser gehören dem ägyptischen Staat und werden den Arbeitern kostenfrei zur Verfügung gestellt. Zusätzlich erhalten sie die Erlaubnis sich westlich des Dorfes eigene kleine und sogar ausgeschmückte Felsgräber auf Kosten des Staates anzulegen. Das Gebiet gehört zur königlichen Nekropole, diese Ehrung stellt ein für Normalägypter nicht erreichbares Privileg dar, da ein Normalägypter sich erstens auf dem Gebiet der königlichen Totenstadt kein Grabmal anlegen darf und da Angehörige der Unter- und Mittelschicht sich die Anlage eines ausgeschmückten Felsgrabes mit Grabkapelle normalerweise gar nicht leisten können.

    Weiterhin werden jedem Arbeiter die benötigten Werkzeuge vom Staat zur Verfügung gestellt. Freie Handwerker, die nicht im Staatsdienst ihr Tagwerk verrichten, müssen sich beispielsweise die enorm teuren Kupfermeißel etc. selbst kaufen.
    Es ist den Arbeitern im Dorf überdies gestattet eigene Diener zu beschäftigen, die aufgrund der Entfernung der Siedlung vom Niltal für Besorgungen etc angestellt werden. Für einige Arbeiter sind bis zu 10 eigene Diener belegt. Und es gibt bezahlten Urlaub zusätzlich zu den durch die Festtage eh schon zahlreichen freien Tagen.

    Die Siedlung wird zweimal täglich per Karawane mit frischem Wasser vom Nil versorgt da Ta-set-maat mitten in der Wüste über keine autarke Wasserversorgung verfügt. Die Arbeiter erhalten zusätzlich zu freier Logis für sich und ihre Familien doppelt so hohe Nahrungsrationen wie andere Handwerker im Staatsdienst. Diese werden in Form von Getreide, Mehl, Brot und Bier ausgezahlt.
    Zusätzlich erhielten die Arbeiter einmal monatlich Kupferdeben (eine Art ägyptisches Geld), Kleidung, Sandalen, Öl, Salben, Fleisch, Fisch, Honig, Wein und sogar Weihrauch.
    Weiterhin gab es regelmäßige Lieferungen von Gemüse und Obst sowie auch Holz und getrockneten Dung als Brennmaterial.

    Für die Versorgung des Dorfes war ein ganzes Team von Zulieferern aus der gesamten Umgebung zuständig. Die genaue Höhe der Rationen kann man übrigens im Tempel von Medinet Habu, der im Auftrag des Königshauses für die Versorgung der Arbeitersiedlung zuständig war, genau Nachlesen.

    Zusätzlich dazu gab es noch weitere Dienstleister, die im königlichen Auftrag Arbeiten für die Bewohner des Dorfes erledigten. Dazu gehörten Bäcker, Töpfer, Wäscher und eben auch Ärzte.

    Diese Ärzte bieten den Bewohnern des Dorfes (also nicht nur den Bauarbeitern und Handwerkern sondern auch deren Frauen und Kindern) tatsächlich eine kostenfreie medizinische Grundversorgung, auch das ist in Medinet Habu nachzulesen.
    Erhaltene Briefe der Arbeiter an die Vorgesetzten berichten sogar von der Dauer der „Arbeitsunfähigkeit“ und der ärztlichen Begründung für die Abwesenheit. Die Betonung liegt auf Grundversorgung. Spezielle ärztliche Dienste zusätzlich zu dieser Grundversorgung können sich die Arbeiter aufgrund ihrer überdurchschnittlich hohen Bezahlung durchaus selbst leisten.

    Sicherlich ist diese ärztliche Grundversorgung nicht auf dem Niveau der königlichen Leibärzte. Aber immerhin kostenfrei. Also ich weiß jetzt nicht wo man da „unmenschlich harte Lebensbedingungen“ zu erkennen vermag.

    Klar sind die körperlichen Verschleißerscheinungen der Bauarbeiter signifikant höher als die von beispielsweise einem Fischer. Das liegt an der körperlich schweren Arbeit. Immerhin bewegen die Arbeiter mit reiner Muskelkraft hunderte Tonnen von Kalkstein um die königlichen Grabstätten zu errichten. Dass ihre Körper dadurch stark beansprucht werden ist völlig normal.
    (Übrigens haben Mauerer und Bauarbeiter selbst heutzutage und trotz der eingesetzten technischen Hilfsmittel beim Bau auch höhere körperliche Verschleißerscheinungen als beispielsweise Büroangestellte)

    Ich frag mich übrigens wie die gute Ägyptologin da zu ihren Vergleichswerten kam. Leichname der königlichen Arbeiter, die man untersuchen könnte, gibt es ja mehr als genug da ihnen ja wie gesagt Grabstätten zur Verfügung gestellt wurden. Allerdings sind erhaltene Gräber von Arbeitern der Unter-und Mittelschicht, die nicht im Staatsdienst standen kaum erhalten und somit zu Vergleichszwecken heranziehbare Leichname auch nicht oder nur kaum vorhanden. Der Vergleich hinkt also ein bisschen.

    Und jetzt mal als kleiner Vergleich ein paar andere großartige Bauprojekte der Weltgeschichte.

    Der Parthenon auf der Akropolis von Athen, etwa 1000 Jahre später im ach so kultivierten Griechenland innerhalb von etwa 10 Jahren errichtet. In den Steinbrüchen und auf der Baustelle arbeiteten tausende von rechtlosen Sklaven, die wenn sie „kaputt“ gegangen sind einfach „weggeworfen“ wurden. Man darf nicht vergessen, der Sklave in Hellas war rein rechtlich gesehen ein Gegenstand und kein Mensch.

    Oder das Kolosseum in Rom, nochmal etwa 500 Jahre später im hochzivilisierten Römischen Reich auf kaiserlichen Befehl innerhalb von 7 Jahren hochgezogen, wurde ebenfalls von abertausenden Sklaven errichtet, deren rechtliche Stellung sich in Rom nicht im Geringsten von denen in Griechenland unterschied. Wie viele Sklaven bei diesen Bauarbeiten zu Tode kamen kann niemand genau sagen, da es keine Aufzeichnungen über die Entsorgung kaputter Sklaven gibt.
    Jedenfalls in den Genuss einer kostenfreien, wie auch immer gearteten ärztlichen Versorgung oder eines bezahlten Urlaubs kommt ein Gegenstand wie ein Sklave garantiert nicht.

    Also wo sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen nun „unmenschlich hart“ ???
    Für die Zeit in der sie lebten, waren die königlichen Arbeiter von Ta-set-maat überdurchschnittlich gut versorgt.
    Und die körperlich starken Verschleißerscheinungen liegen an der Art der Berufe, die diese Arbeiter ausübten.
    Unmenschlich harte Bedingungen kann ich da beim besten Willen nicht sehen. Da geht's ja manchen Arbeitern auf Baustellen der Neuzeit schlechter...

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